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Nachrichten für Filmschaffende – der Branchennewsletter von Crew United #787 vom 13. November 2025 |
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Das Titelthema: Standortperspektiven
Die weiteren Themen: Podcast | Kino | Festival | Vermischtes |
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„Der Himmel über Berlin“ (1986/87). | Foto © Wim-Wenders-Stiftung |
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Vorige Woche hatte die Produktionsallianz ihre Kampagne gestartet, damit endlich mal ein Gesetz vorgelegt wird zur Investitionsverpflichtung für Sender und Streamer. Am Montag meldete sich fast die gesamte Branche gemeinsam zur Sache: „Einer der wichtigsten Bausteine der Filmförderreform ist akut gefährdet“, warnen 32 Verbände der Branche (bei Redaktionsschluss waren es sogar 41) in einem gemeinsamen Appell, darunter auch die Produktionsallianz. „Ohne Investitionsverpflichtung ist das Fördersystem […] nicht tragfähig. Freiwillige Absichtserklärungen reichen nicht aus, um dauerhaft Planungssicherheit und faire Rahmenbedingungen zu schaffen.“ Der Aufruf richtet sich an Kulturstaatsminister (BKM) Wolfram Weimer, der stattdessen Selbstverpflichtungen aushandeln will. Ergebnisse hatte er „zeitnah“ für Mitte November in Aussicht gestellt. Dies war auch Thema beim Kulturausschuss des Bundestags diesen Mittwoch. Um nichts weniger als den „Filmstandort Deutschland“ ging es im öffentlichen „Fachgespräch“ [Aufzeichnung in der Bundestags-Mediathek] mit den Vertretungen der verschiedenen Interessen, die sich auch schon aus dem Verwaltungsrat der Filmförderanstalt (FFA) kennen: Öffentlich-Rechtliche und Privatsender, beide Kinoverbände, aber nur die Produktionsallianz. Dazu der Dachverband beziehungsweise die „Spitzenorganisation“ der Filmwirtschaft, kurz SPIO (der wiederum die Kino- und Produktionsverbände auch angehören). Und schließlich die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) – gewissermaßen der Betriebsrat am Tisch. Außer der Gewerkschaft und der Produktionsallianz hatte sich hier keiner dem Appell der Verbände angeschlossen. Mehr noch: Der Verband technischer Betriebe für Film und Fernsehen (VTFF) hatte sogar noch am Montag widersprochen, berichtet Uwe Mantel bei „DWDL“. Weil „eine gesetzliche Investitionsverpflichtung nach EU-Recht nur Produktionsumsatz irgendwo in Europa schaffen werde, nicht aber unbedingt in Deutschland. […] Dies könne aus VTFF-Sicht mit Selbstverpflichtungen von Sendern und Streamern besser gelöst werden. Rohnke kritisiert in dem Zusammenhang auch ARD und ZDF, die immer mehr ihrer Produktionen außerhalb Deutschlands realisieren lassen.“ Der VTFF hatte am Mittwoch Jahreshauptversammlung und saß deshalb nicht mit am Tisch. Er wurde aber wiederholt angeführt. Dass Sendern und Streamern lieber eine „freiwillige Selbstverpflichtung“ aushandeln wollen, ist klar. Aber auch unter den übrigen war die Produktionsallianz in der Minderheit. Hauptsache, es wird endlich investiert … Und Hauptsache, die große Förderreform wird endlich abgeschlossen – selbst wenn’s nicht ganz das ist, was Weimers Vorgängerin einst versprochen hatte. Das Thema Steueranreize wurde jedenfalls wiederholt angesprochen. Und „das sollte man nochmal angehen“, meinte nicht nur Daniela Beaujean von Vaunet, Verband der Privatsender und Streamer. Auch Peter Schauerte von der SPIO merkte an, dass die ganze Förderreform doch recht produktionsgeprägt sei und es noch andere Baustellen gebe: „Es geht uns nicht um den Film als solchen, es geht um den Standort.“ Und für dessen Zukunft seien eben auch die Kinos wichtig. Mit den Filmen auch das Publikum zu erreichen werde nämlich immer „diffiziler“. Auch die Kinoverbände AG Kino und HDF und hatten sich am Montag in einem Offenen Brief zu Wort gemeldet. Gemeinsam mit dem Bundesverband kommunale Filmarbeit und der AG Filmfestival fordern sie „eine Förderpolitik, die die gesamte Wirkungskette des Films im Blick hat“ und „weiter denkt“ – kurz „einen Wandel von der Produktionsförderung zur Wirkungsförderung“. Am Dienstag legte die AG Kino mit einem Appell an den Bundestag nochmal nach, berichtet Marc Mensch bei „Blickpunkt Film“. „Der Ton des neuerlichen Appells fällt dabei eine ganze Spur dramatischer aus, so warnt die AG Kino-Gilde vor ,dramatischen Folgen’, sollte das Zukunftsprogramm Kino nicht noch im Bundeshaushalt gesichert werden. ,Ohne die Fortführung der Investitionsförderung steht die Existenz zahlreicher Arthouse- und Landkinos auf dem Spiel – und damit auch der Erfolg der gesamten, jahrelang diskutierten Filmförderreform’, heißt es dazu.“ Auch am Mittwoch appellierten beide Kinoverbände noch einmal – und dass das „Zukunftsprogramm Kino“ im Bundeshaushalt 2027 von vornherein eingestellt wird: Die Kinos bräuchten dringend Planungssicherheit; ohne die Förderung drohe ein neues Kinosterben. Was die Investitionsverpflichtung (also die letzte Säule der Reform) angeht, bleibt der BKM bei seiner Haltung: Er will es mit einer „autonomen Lösung“ versuchen. Die „sehr guten Gespräche“ mit den Streamern seien inzwischen abgeschlossen, hatte er schon zur Begrüßung gesagt. „Wir stehen vor einem großen Investitionsschub“. Die zugesagten Investitionen bewegen sich demnach in „namhafter“ Höhe. Zum Abschluss schob Weimer trotzdem noch drei einschränkende Begründungen nach: Eine Selbstverpflichtung sei die schnellere Lösung – auch „mit Blick auf Arbeitsplätze“ [Anmerkung: Für ein Gesetz (inklusive EU-Zustimmung) bräuchte noch gut ein Jahr; wenn alles glatt läuft – cinearte 778]. Ein Gesetz sei zudem ein „gravierender Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit, in die Programmfreiheit“ und würde vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, fürchtet Weimer. Und schließlich seien da noch die ohnehin schon „schweren außenwirtschaftlichen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten“. Eine gesetzliche Verpflichtung für die US-Streamer berge da „erhebliches Konfliktpotenzial“. Die Sorge ist nicht unbegründet. Schon vor einem halben Jahr hatte der US-Präsident Strafzölle für Filme angedroht, die im Ausland produziert wurden, um die heimische Filmindustrie zu schützen. Bislang sind die Pläne noch vage, aber immer wieder für eine Meldung gut – zum Beispiel vor sechs Wochen bei der „Tagesschau“: „Andere Länder bieten alle möglichen Anreize, um unsere Filmemacher und Studios aus den Vereinigten Staaten abzuwerben“, kritisierte er. „Hollywood und viele andere Gebiete in den USA werden vernichtet. Dies ist eine konzertierte Aktion anderer Nationen und daher eine Bedrohung der nationalen Sicherheit.“ Bleiben nur noch zwei Fragen, die der Ausschussvorsitzende Sven Lehmann für die Grünen stellte. Ja, auch die erhöhten Filmfördermittel könnten nun freigegeben werden, auch ohne Gesetz, beschied ihm Jan-Ole Püschel vom BKM. Und auch wann es endlich losgehen soll: „Sehr zeitnah“. |
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Georges Méliès (rechts) in seinem Blockbuster „Die Reise zum Mond“ von 1902. | Foto © Star Film |
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Mit dem Kurzfilm fing alles an, das will der „Indiefilmtalk“ in seiner neuen Folge erstmal klarstellen. 1902 brauchte Georges Méliès für seine „Reise zum Mond“ ja auch nur 16 Minuten. „Heute hingegen wird der Kurzfilm häufig als Visitenkarte für Nachwuchsfilmschaffende betrachtet“, aber auf Festivals, im Internet und auf Arte behaupte er „sich als eigenständige Kunstform“. Das sei es nämlich, erklärt der Drehbuchautor Axel Melzener, und die Eigenheiten beginnen schon in der Erzählweise: „Während die klassische Drei-Akt-Struktur gut auf Kurzfilme übertragbar ist, sprengt die Heldenreise den Rahmen: Zwölf Stationen in fünf bis zehn Minuten – schlicht nicht umsetzbar. Ein Problem, das Axel in der Lehre immer wieder beobachtet: Studierende werden vor allem an Langfilm-Dramaturgie ausgebildet, sollen jedoch im Studium Kurzfilme realisieren.“ |
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„Krieg der Sterne – Das Imperium schlägt zurück“ (1980). | Foto © Disney |
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Die Filmkritik hat’s aber auch nicht leicht. In „Standard“ stellt Valerie Dirk eine große Frage: „Spoilern oder nicht?“. Also: darf man verraten, wer der Vater von Luke Skywalker ist, wenn’s der Filmkunst dient? Das klingt profan, führt aber zu tieferen Überlegungen: „Im schlimmsten Fall wird eine vorsichtige Kritik zum reinen Werbetext. Im besten Fall enthält sie eine Handvoll interessanter Beobachtungen, ohne zu viel zu verraten. Eine detaillierte Analyse wird aber durch den Spoiler-Maulkorb verunmöglicht. ,Der Aufstieg der spoilerfreien Kritik scheint eine Abkehr von der Kritik als Kunstform und eine Hinwendung zur Kritik als Instrument des Fan-Marketings zu sein’, schreibt dazu Noah Berlatsky in der Los Angeles Review of Books [auf Englisch]. Die Obsession mit Spoilern ist auch aus einem anderen Grund verdächtig. Ein Film besteht nicht nur aus seiner Handlung, er ist im besten Fall ein über sich selbst hinausweisendes audiovisuelles Kunstwerk. Man kann den Kinobesuch auch wie einen Opernbesuch behandeln. Da weiß man meist, wie es ausgeht, aber die Inszenierung, die Musik, die Kostüme, das Schauspiel sollten doch Grund genug für den Kulturgenuss sein. Ob am Ende das füreinander bestimmte Paar zusammenkommt, ist dann nur noch Nebensache.“ Mehr Stilbewusstsein wünscht sich auch Kirstin Warnke, Schauspielerin, Regisseurin und Autorin. Die Kunstkritik werde immer gefühliger, schreibt sie in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ [Bezahlschranke]: „Rezensenten großer Kultursender ,vermissen’ mindestens so viel, wie sie sich ,wünschen’ […]. Der Filmexperte vom Kultursender fühlt sich ,nicht abgeholt’, die Kunstkennerin beim Anblick der Gemäldeserie gar ,alleingelassen’. […] Was so bescheiden in Ich-Botschaft daherkommt, birgt Egozentrik und Überheblichkeit: Wer an einem Kunstwerk etwas ,vermisst’, scheint ja sehr genau zu wissen, wie man es hätte besser machen können und stellt sich über die Autonomie des Werkes. […] Zudem offenbart dieser Sprachgestus Konsumdenken und macht den Künstler zur persönlichen Servicekraft. So forderte ein Vertreter einer Filmförderstelle vor wenigen Tagen, man solle sich stärker an den ,Wünschen des Publikums’ orientieren, welches sich Filme wünsche wie ,Das Kanu des Manitu‘. Dies ist nicht Aufgabe der Kunst; sie ist bekanntlich Raum für Irritation, Verstörung, Unlogik und konsequente Nichterfüllung.“ |
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Future Storytellers beim Filmschoolfest Munich 2016. | Foto © Stefanie Funk/FOFS |
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Inspiration statt Wettbewerb |
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Morgen beginnt in München das „FOFS – Festival of Future Storytellers“. Das hieß bislang „Filmschoolfest Munich“, davor „Internationales Festival der Filmhochschulen“, und wer in den letzten 44 Jahren jemals dabei war, hat später mindestens „Harry Potter“ gedreht oder gar sowas wie „Dogma 95“ erfunden. Dass im Titel nun der Film fehlt, ist gewollt: „In den letzten zehn Jahren haben sich nationale und internationale Filmhochschulen wie auch andere Kunsthochschulen maßgeblich verändert. Serielles Erzählen, Videokunst, Games, XR und VR aber auch Künstliche Intelligenz gehören heute zum Alltag an Filmschulen“, wird auf der Website erklärt. Zu Austausch und Inspiration sollen deshalb nicht nur die Filme anregen, sondern auch etliche „Talks und Labs“ mit Panels, Masterclasses und Workshops zum audiovisuellen Erzählen. Dass dient nicht allein der Weiterbildung: „Dem Festivalgedanken der Premierenkonkurrenz wird ein neuer Gedanke entgegengesetzt. 10 Tage Festival, die als Erfolgskriterium Inspiration haben.“ |
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Johannes Paetzold. | Foto © RBB/Jenny Sieboldt |
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Wir schauen mal kurz über den Tellerrand, zur Musik und in die „Berliner Zeitung“ [Bezahlschranke]. Dort spricht Stefan Hochgesand mit Johannes Paetzold. Der Moderator schlägt seit 35 Jahren im Radio ungewohnte Töne an. „Ich glaube, in dem Genre Weltmusik moderiere ich die dienstälteste Autorensendung in der ARD“, sagt Paetzold. Den Begriff „Weltmusik“ mag er aber nicht: „Zwölf britische Labelchefs haben ihn Anfang der Achtziger erfunden, um Platten von ,außerhalb’ zu sortieren – Folk, Pop, traditionelle Musik. Aber der Begriff wurde bald zum Ghetto-Wort, zur Schublade für alles Fremde. Ich sage lieber Global Pop: Das steht für den Paradigmenwechsel, für Augenhöhe. Musiker aus Lagos, Dakar oder São Paulo brauchen den Westen nicht mehr als Durchlauferhitzer. […] Ich habe afrikanische, lateinamerikanische, asiatische Musik neben Pop und Soul gespielt. Hörer sagten oft: ,Kenne ich nicht, aber klingt cool.’ Das war der Schlüssel. […] Ohne kulturelle Aneignung gäbe es keine Musikgeschichte, keinen Rock’n’Roll. Reggae lebt von amerikanischem Soul, Rock’n’Roll von schwarzem Rhythm’n’Blues. Jazz, Pop – alles Austausch. Wer das verbieten will, tötet Musik. Natürlich muss man über Gerechtigkeit reden: Follow the breadline, sagen die Engländer. Wer etwas erfindet, muss bezahlt werden. Das ist das Einzige, was zählt. […] Musik war nie rein. Jamaika hat sich in den Sechzigern aus amerikanischen Radios gespeist – sonst gäbe es keinen Reggae. Häfen sind die besten Beispiele: Orte, an denen sich Klänge mischen. Dakar, Buenos Aires. Beatles ohne Hamburg? Unvorstellbar. Kultur funktioniert über Austausch. Das Entscheidende ist, dass niemand leer ausgeht. Der Rest ist übertriebene Empfindlichkeit.“ |
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